Das Talent, ein Lebenskünstler zu sein

Dies ist ein Gastbeitrag von Esra. Vielen Dank!

Das Leben ist schon manchmal verrückt und man denkt sich, das kann doch nicht wahr sein und alles erscheint einem so unreal, ja, als wäre man Zuschauer in einem Film. Wenn ich so betrachte, was mir in meinem Leben alles so passiert und beruflich schief gelaufen ist, dann könnte ich einen Roman darüber schreiben. Also dachte ich mir um 3:48 Uhr am Freitag, dem 30. September 2015, nachdem ich wieder mit Schmerzen am Genick aufgewacht bin und nicht mehr weiterschlafen konnte: Dann tu es doch, schreibe alles auf, es wird mit Sicherheit kein „Bestseller“, aber es befreit mich von der endlosen Grübelei und vielleicht gibt es draussen auch noch andere Menschen, denen das so ähnlich gegangen ist oder sogar geht.

Mein Lebenslauf bzw. mein beruflicher Werdegang beginnt damit, daß ich in meiner Kindheit nie richtig an einem Ort Wurzeln fassen konnte. Wie auch. Meine Eltern kamen in den 60er Jahren aus der Türkei und wollten in Deutschland nur vorübergehend Geld verdienen und dann wieder in die „Heimat“ zurück ziehen. Der Traum aller Migranten damals, hierher kommen und genug Geld verdienen, um wieder in der eigenen Heimat eine berufliche Perspektive schaffen, sei es durch ein Geschäft oder wie im Falle meines Vaters eine Praxis zu eröffnen.

Aber zurück zu meiner Geschichte. Meine Eltern sind gebildet. Mein Vater ist von Beruf Zahnarzt. Das heißt, ich war kein herkömmliches „Gastarbeiterkind“, ich war sozusagen priviligiert. Mein Vater kam vor meiner Mutter und mir aus der Türkei und siedelte sich in einem deutschen Dorf namens „Haslach“ an. Dort fand er Arbeit in einer Praxis. Deutschland brauchte in den sechziger Jahren viele Fachkräfte, darunter viele Ärzte, Ingenieure und natürlich auch Zahnärzte. Obwohl meine Eltern modern eingestellt waren, prallten trotzdem zwei verschiedene Kulturen aufeinander. Für die Deutschen war es nicht leicht, sich eingestehen zu müssen, auf die Hilfe von Ausländern angewiesen zu sein. Die ausländischen Neuankömmlinge hatten gefühlsmäßig immer das Problem, ungewollt zu sein in einem fremden Land. Na ja, nichts desto trotz kam also mein Vater in einem Haus unter, was nicht weit von der Praxis entfernt war, wo er gearbeitet hat. Meine Mutter ist eine geborene Istanbulerin und für sie war das Dorfleben gänzlich unbekannt. Sie kam aus einer Großstadt, die selbst für die 60er Jahre schon eine Metropole war. Und sie hatte mich im „Gepäck“, gerade mal 3 Monate alt. Auf der Fahrt von der Türkei nach Deutschland mit der Bahn hat sie schon einige Kuriositäten durchmachen müssen, um bis nach Deutschland zu gelangen. Sie erzählt mir immer von dem Erlebnis, wie sie mich einer Frau anvertrauen mußte, um am Zoll nach Bulgarien ein Visum für Deutschland zu beantragen. Kaum auszudenken, was für ein Gefühl das bei einer jungen Frau hinterlassen muß, sein eigenes Kind im Zug zu lassen, um ein Visum zu bekommen. Naja, denke ich mir immer bei dieser Geschichte, die mir meine Mutter immer wieder erzählt, guter Start mit drei Monaten. Jetzt kann ich darüber schmunzeln, hätte alles auch anders kommen können.

Aber zurück zu meiner eigentlichen Geschichte über meinen beruflichen Werdegang. Meine Eltern zogen nach einer gewissen Zeit nach Karlsruhe. Mein Vater hatte dort eine Arbeitsstelle in einer Praxis gefunden. Der Chef und Praxisinhaber war sehr nett zu meinem Vater und er fühlte sich in der Praxis richtig wohl. Sechs Jahre waren wir jetzt in Deutschland, ich wurde mit 5 Jahren eingeschult. Nach knapp einem Jahr, gerade hatte ich mich an die Schule gewöhnt, wurde der Vertrag meines Vaters von dem Juniorchef, der die Praxis dann übernahm, nicht verlängert. Meinem Vater ging es da überhaupt nicht gut, er wußte lange nicht, was wir tun sollten, wieder zurück in die Türkei? Ohne jegliche Ansparungen, denn soviel verdiente ein Zahnarzt damals in den Sechzigern als Assistenzarzt nicht. Was nun? Da mein Vater den Vertrag nicht verlängert bekam, stand natürlich auch die Arbeitsgenehmigung und das Aufenthaltsrecht auf dem Spiel. Nun mußten meine Eltern eine Entscheidung treffen und es wurde auch eine Entscheidung getroffen. Ziel war nun die Schweiz. Zu der Zeit lebte meine Tante, die Schwester von meinem Vater, in Winthertur. Es lebten dort erstaunlicher Weise viele Ausländer. Türken, Griechen, Italiener etc. Es war eine Arbeiterstadt und man sprach „Schwitzerdütsch“. Ja, die Schweizer sind stolz auf ihre Sprache. Da ich zwar in die zweite Klasse in Deutschland versetzt worden war, aber mein Zeugnis nicht ausgehändigt bekommen hatte, weil mein Vater die neue Stelle in der Schweiz antreten mußte, hatte ich kein offiziell kein Zeugnis. Das war furchtbar für mich. Zudem bestand das schweizerische Ausländeramt, dass ich das „Schwitzerdütsch“ lernen müßte, um in Winterthur die Grundschule besuchen zu dürfen. Furchtbar, mag man sich vorstellen, was in mir als sechs Jährige vorging? Ich hatte die zweite Klasse erreicht und mußte wieder in den Kindergarten, um diese Sprache zu erlernen. Ich habe jeden Tag im Kindergarten gehaßt und habe es als unfair gesehen. Nach einem halben Jahr waren die Schweizer so „gütig“ und ich durfte in die Grundschule, Klasse 1 natürlich. Da ich schon lesen und schreiben konnte, habe ich mich über meine Klassenkameraden amüsiert, die es noch erlernen mußten.

In der Schweiz gingen die meisten türkischen Kinder parallel in die türkische Schule, nachmittags natürlich, sozusagen Schule nonstop. Was soll ein Kind von sieben Jahren denn sonst tun, außer sich bilden? Also ging ich natürlich als brave Tochter ebenso in die türkische Schule. Im nachhinein, muß ich sagen, war das gar nicht so schlecht. Jetzt profitiere ich davon. Damals habe ich es gehaßt. Ebenso habe ich es gehaßt, nur dann Fahrrad fahren zu können, wenn ich ein Nummernschild an meinem Fahrrad hatte. Die Schweizer und ihre Regeln… zum abgewöhnen. War schon toll alles. Schon damals wußte ich, meine Schullaufbahn wird anstrengend. Und ich behielt Recht. Wir mußten wieder umziehen. Mein Vater konnte nicht mehr in der Schweiz praktizieren. Aber diesesmal bekam mein Vater ein Angebot von seinem Jugendfreund Erol, der sich bereits eine eigene Praxis in Lintorf nahe Düsseldorf aufgebaut hatte. Meinem Vater hatte er die Stelle bei einem Zahnarztkollegen von ihm besorgt.

Also ging es wieder zurück nach Deutschland. Zwar habe ich die Schule in der Schweiz am Anfang gehaßt und mehr noch den Kindergarten, aber nun nach 1 1/2 Jahren hatte ich endlich Freunde gefunden, hatte mich eingelebt, das „Schwitzerdütsch“ saß perfekt und ich hatte gute Schulnoten. Und ich mußte wieder von allem bisher gewohnten Abschied nehmen. Meine Lehrerin hat beim Verabschieden geweint, hatte sie mich doch lieb gewonnen und ich sie auch. Aber diesmal bekam ich wenigstens ein Zeugnis. Es war ein Zeugnis der blauen Gruppe. In der Winterthurer Grundschule gab es ein blaues Zeugnisheft oder ein rotes Zeugnisheft. Nebenbei bemerkt, mußte ich damals zuerst in die rote Gruppe, dann hatte man festgestellt, ich passe dort nicht hin (wieso auch immer) und mußte dann im laufenden Jahr in die blaue Gruppe. Das war am Anfang auch schwierig für mich, aber auch das meisterte ich. Kunststück, hatte ja keine andere Wahl.

Na ja, das war jetzt wieder Schnee von gestern. Nun durfte ich mich wieder an eine andere Schule gewöhnen. Wenigstens durfte ich hier in Lintorf in die zweite Klasse. Wenigstens etwas. Meine neuen Klassenkameraden betrachteten mich skeptisch, da ja meine Aussprache sich wieder der Deutschen Sprache anpassen musste. Hatte ich mir doch soviel Mühe gegeben, dieses blöde „Schwitzerdütsch“ zu erlernen. Nun mußte ich wieder hochdeutsch sprechen. Ich war dennoch glücklich in Lintorf, hatte gleich Anschluß gefunden und war zusätzlich mit der Tochter des besten Freundes meines Vaters, der, wie schon erwähnt, auch dort praktizierte, befreundet. Sie hieß Melike, ihre Mutter war Deutsche, der Vater Türke. Unsere Familien trafen sich oft und zum erstenmal hatte ich das Gefühl, angekommen zu sein. Mittlerweile war ich acht Jahre alt. Bei uns schlich sich eine Normalität ein und wir kauften uns sogar erstmals ein Auto, einen Audi 80, damals in den Siebzigern der Renner.

Ja, das war eine schöne Zeit. Blöd fand ich nur, dass all die anderen Klassenkameraden ein anderes Zeugnisheft als ich besaßen. Mein Zeugnisheft stach immer aus jeder Gruppe heraus. Unnötig zu erwähnen, dass natürlich Hänseleien diesbezüglich entstanden. Egal, Hauptsache Zeugnis. Aber kaum war ich an die neuen Umstände und an die Umgebung gewöhnt, eingelebt und leicht verwurzelt, zogen wir wieder weg. Ich war diesmal sogar noch viel trauriger, als wo ich das letzte Mal meine gewohnte Umgebung für etwas Neues aufgeben mußte. Nun war es also mal wieder soweit. Wieder ein neuer Ort, eine neue Schule, neue Freunde etc. Mittlerweile wurde es für mich eine Kunst, sich neue Freunde zu suchen und sich neu anzupassen. Wie ein Chamäleon, das nach jedem Ortswechsel seine Hautfarbe ändert. Ja, so kam ich mir vor. Wie ein Chamäleon. Wieder alles neu und doch wieder nicht. Ich mußte wieder die gleichen Praktiken anwenden, um neue Freunde zu gewinnen, mich an neue Lehrer gewöhnen, an neue Lebenssituationen anpassen und und und. Diesmal sind wir nach Hagen gezogen. Mein Vater hatte es satt, immer als Assistenzarzt zu arbeiten. Er wollte mehr für seine Familie erreichen. Verständlich oder, so sollte man denken. Für mich als Kind, mittlerweile 9 Jahre alt, zu dem Zeitpunkt nicht so verständlich, aber eine Wahl hatte ich nicht. Mittlerweile kam auch meine Oma öfters aus der Türkei, um uns besuchen. Und mein Vater bekam die Gelegenheit, in Nachrodt, ein kleinerer Ort in der Nähe, seine eigene Praxis zu eröffnen. Nach vielen Höhen und Tiefen war es ihm nun endlich gelungen, selbst Chef in seinen eigenen vier Wänden zu werden.

Für mich bedeutete das, dass ich in die dritte Klasse hätte versetzt müssen. Aber da wir mitten im Schuljahr umgezogen sind, musste ich die zweite Klasse in Hagen natürlich wiederholen. Es wiederholte sich wieder einmal, dass ich doppelt das Gleiche gelernt habe. Aber ich hatte jetzt Glück, denn es sah nicht so aus, als würden wir hier wieder schnell umziehen. Denn nun hatte mein Vater endlich sein Ziel erreicht, eine eigene Praxis. Der Gedanke, zurück in die Türkei zu ziehen war nun endgültig vom Tisch, nun hatten wir uns damit arrangiert, das wir jedes Jahr vier Wochen in die Türkei fliegen würden. Aber das bedeutete nicht vier Wochen Urlaub am Strand, nein, die erste Woche einer Türkeireise war immer für die Verwandtschaft vorgesehen, heißt auf gut Deutsch, von einer Tante zur anderen Tante, dann Cousin, andere Verwandte und so weiter und so weiter. Besuchen, besuchen, verweilen und langweilen. Gefreut habe ich mich immer nur dann, wenn ich meine Cousins und Cousinen getroffen habe, das vermittelte mir das kleine Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Kaum hatte ich Spaß mit ihnen und war glücklich, mussten wir auch wieder weiter. Wir fuhren dann zu den nicht ganz so bekannten Urlaubszielen wie Avsa Insel und Erdek. Das war damals günstig und nicht weit weg von Istanbul. Nach zwei Wochen Strandurlaub ging dann das Marathonbesuchen der Verwandtschaft weiter. Nach vier Wochen Türkei mussten wir uns alle wieder an die Ruhe und an die Zeitveränderung in Deutschland gewöhnen. Das war nicht immer leicht für mich. In den Türkeiferien war das Leben anders, hektischer. Istanbul selbst war groß und hektisch. Hagen war im Gegensatz dazu klein und beschaulich.

Nach einer gewissen Gewöhnungszeit war ich doch glücklich, wieder in meiner gewohnten Umgebung zu sein, hatte jetzt auch viele Freunde, mit denen ich viel zusammen war. Eine meiner Freundinnen war die Enkelin eines bekannten Mannes in Hagen, der sogar sein eigenes Museum hatte. Eine andere Freundin lebte über einer Kneipe, die ihrer Familie gehörte. Die Kneipe war um die Ecke von unserer Wohnung. In Hagen habe ich bis dahin die schönste Zeit meiner Kindheit verbracht. In der Klasse war ich anerkannt, hatte viele Freundinnen und sogar einen Freund. Mein Vater kam anfangs noch mittags nach Hause, dann blieb er mittags in der Praxis, hatte sich dort eine Liege angeschafft und ruhte sich so nach seiner Mahlzeit dann in seiner Praxis aus. Nach der Schule aßen meine Mutter und ich gemeinsam etwas. Einmal erkrankte meine Mutter stark an einer Lungenentzündung und ich war die einzige in ihrer Umgebung, die sie pflegen konnte. Meine Oma war da in der Türkei, mein Vater war arbeiten und schaffte es mittags nicht, nach Hause zu kommen. Also ging ich zur Schule, kam dann nach Hause und ging zum Kroaten und kaufte für meine Mutter ein Steak, da war ich zehn Jahre alt und mittlerweile in der dritten Klasse meiner Grundschule angelangt. Dieses Steak hat meiner Mutter wieder Kraft gegeben und sie erholte sich auch dank der Fürsorge unseres Hausarztes. Nachdem ich meine Mutter mit Essen versorgt hatte, besorgte ich mir mein Essen. Ich ging in die Stadt und holte mir vom Restaurant „Kochlöffel“ meistens eine Currywurst mit Pommes. Meiner Mutter ging es nicht gut und sie konnte nichts kochen oder gar sich auf den Beinen halten. Aber wir meisterten gemeinsam diese Zeit und nach acht Wochen ging es ihr wieder besser. Solche Erinnerungen prägen einen Menschen und ich erinnere mich oft daran, wie ich ihr erst das Steak gebracht habe und dann mir Essen besorgte. Meine Mutter vergißt es ebenso nicht und das verbindet auch.

Mittlerweile war ich also in der dritten Klasse angelangt und war 10, nur nochmal zur Erinnerung. Fühlte mich akzeptiert und glücklich und war zum erstenmal auch richtig angekommen. Zu Hause, endlich. Dachte ich zumindest. Jetzt brauchen wir ja nicht mehr umziehen, denn wir sind angekommen. Mein Vater hatte endlich seine Praxis. Kaum war ich in der vierten Klasse beschäftigten mich persönlich eher die Probleme, schaffe ich es, auf das Gymnasium zu kommen und wenn ich es schaffe, auf welches würde ich gehen?

Das waren die Dinge, die mich interessierten und in meiner Klasse machten meine Freunde und ich schon Pläne, wie wir die Zeit gemeinsam verbringen würden, wann würden wir lernen und wo würden wir lernen. Mir kam nicht einmal der Gedanke auf, das meine Eltern schon wieder neue Umzugspläne hatten.

Mein Vater hatte festgestellt, dass die Strecke von Nachrodt nach Hagen ihm mittlerweile zu lang geworden war und er nicht jeden Tag diese Strecke fahren wollte. Und meine Eltern hatten auch noch beschlossen, dass es nun an der Zeit war, sich ein eigenes Haus zu kaufen oder zu bauen oder wie auch immer. So kam es dazu, dass meine Eltern in Hagen zwar nach einem Haus gesucht hatten, aber in Iserlohn fündig wurden.

Meine Mutter wollte immer schon einen Bungalow haben. Da in Iserlohn genau solche Bungalows gebaut wurden, entschieden meine Eltern sich, so ein Haus zu kaufen und sich in Iserlohn niederzulassen. Nachrodt als Wohnort lehnte meine Mutter kategorisch ab, war ihr zu weit weg von der Stadt und sie hatte damals auch noch keinen Führerschein.

Für mich war klar, was das bedeuten würde, wieder von meinen Freunden weg ziehen, wieder alles von vorne, neue Freunde, neue Schule, neue Umgebung. Aber ich hatte es so satt. Hatte ich mich doch auf eine schöne Zeit in Hagen gefreut, gemeinsam mit meinen Freunden aufs Gymnasium gehen, gemeinsam lernen, Spaß haben, die Pubertät mit Ihnen durchmachen. Denkste.

Wieder alles in Kartons einpacken und stapeln, auf den Umzugswagen warten, von Menschen, die man lieb gewonnen hatte, Abschied nehmen, schon wieder. Ich war noch nie so unglücklich wie mit dieser Entscheidung, weg aus Hagen und nach Iserlohn zu ziehen. Ich habe es gehasst, ich wollte nicht mehr weg ziehen. Nein, nein. Aber als 11 bzw. angehende 12-jährige hatte ich keine Wahl. Aber ab diesem Zeitpunkt habe ich beschlossen, querzuschießen. Egal was, ich wollte mich nicht mehr anpassen. Das tat ich dann auch. Noch dazu stellte sich heraus, dass das alte „Märkische Gymnasium Iserlohn“ ebenso umgezogen war und das neue Domizil am Hemberg gefunden hatte. Also nicht weit weg von unserem Haus. Zu allem Übel kam noch hinzu, dass mein Jahrgang der erste gemischte Jahrgang auf dem Märkischen Gymnasium sein würde, denn das MGI war vorher eine reine Jungenschule. Man stelle sich das Bild vor, lauter kleine Mädchen, umgeben von älteren und gleichaltrigen Jungs. Die Abiturienten waren damals sehr groß für mich. Und ich hatte jeden Morgen ein mulmiges Gefühl, wenn ich in die Schule ging.

Rekapitulieren wir mal, wie oft ich in meiner Grundschulzeit umgezogen bin. Also von Karlsruhe nach Winterthur (1), dann von Winterthur nach Lintorf (2), von Lintorf nach Hagen (3) und last but not least, zwar nicht ganz zu meiner Grundschulzeit, aber trotzdem Umzug nach Iserlohn (4). Da wurden die Weichen gestellt, dass meine Schullaufbahn katastrophal enden würde. Immer habe ich mir Mühe gegeben und versucht, jede neue Klasse mit einem guten Zeugnis abzuschließen. Jetzt war es mir egal. Scheißegal, ich war so gefrustet und enttäuscht, dass ich zum x-ten mal mich wieder auf was neues einstellen musste. Ich habe dieses Gymnasium aufs aller äußerste gehaßt und ich war nicht der Liebling der Lehrer, bestimmt nicht.

So kam es auch, dass ich jedes Jahr mindestens einen blauen Brief bekam. Ja, ich hatte einen persönlichen Sport für mich erfunden. Die Fächer, die zum ersten Halbjahresende mit einer Fünf benotet wurden, mußte ich bis zur Versetzung mindestens zu einer Vier umgewandelt haben. Je mehr Fünfer ich auf dem Zwischenzeugnis bekam umso größer spürte ich den Ehrgeiz, alle Fünfer bis zur Versetzung weg zu bekommen. Unglaublich aber wahr, dies gelang mir auch, bis Stufe 13. Da bekam ich die Schlußrechnung von meinen Lehrern. Bis zur Oberstufe hatte ich es tatsächlich geschafft, ohne sitzenzubleiben.

(Fortsetzung folgt – möglicherweise…)

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